Demokratiegeschichte in Deutschland und Bayern
Die Ballotage – ein demokratisches Abstimmungsgerät
1808 und 1818
Das Gemeindeedikt und die Bayerische Konstitution gewährt den Bürgern eine erste Teilhabe an staatsbürgerliche Rechten, vor allem das Wahlrecht für die Ständeversammlung (Landtag) und den Gemeindeausschuss (Gemeinderat).
Wahlberechtigt waren nur Männer mit Bürgerrecht, d. h. mit Grundbesitz einschl. Wohngebäude.
1848
In der Revolution von 1848/49 trat der Widerstand gegen die vorherrschende monarchische Ordnung zu Tage. Am 18. Mai tagte die Nationalversammlung in der Paulskirche in Frankfurt. 1849 wurde der erste Versuch, einen demokratisch verfassten, einheitlichen deutschen Nationalstaat zu schaffen, gewaltsam niedergeschlagen.
1919
Die Bayerische Verfassung und die Weimarer Verfassung beinhalten u. a. das demokratische Wahlrecht als Grundlage eines parlamentarischen Regierungssystems. Erst jetzt war das allgemeine, gleiche, freie, unmittelbare und geheime Wahlrecht für Männer und Frauen verwirklicht.
1933
Beide Verfassungen werden durch Gesetze und Verordnungen außer Kraft gesetzt, bleiben formal aber gültig.
1946
Die Bayerische Verfassung stellt die demokratische Grundordnung wieder her.
1949
Das Grundgesetz für die Bundrepublik Deutschland tritt in Kraft. Es basiert auf die Grundsätze: Demokratie, Republik, Sozialstaat, Bundesstaat.
Die „Ballotage“ – Ein Objekt der Demokratiegeschichte
In der deutschen und europäischen Demokratiegeschichte sind immer wieder Personen und Gruppen eingetreten für politische Teilhabe und gesellschaftliche Rahmenbedingungen. Frühformen der demokratischen Entwicklung finden sich auch in Vereinen. Das gilt vor allem für die Abstimmungen in Mitgliederversammlungen mittels einer „Ballotage“. Unter „Ballotage“ versteht man die „geheime Abstimmung durch Abgabe weißer
oder schwarzer Kugeln“. Seit dem 18. Jahrhundert war dieses demokratische Verfahren sowohl im öffentlichen Bereich, als auch in Vereinen ein gängiges Verfahren zur Mehrheitsfindung. Bei der Bayerischen Akademie der Wissenschaften wird die „Kugelung“ bei der Neuaufnahme von Mitgliedern noch heute durchgeführt.
Die „Ballotage“ in Wiesenbronner Vereinen
In der Satzung des 1863 gegründeten Schützenvereins heißt es: über Aufnahme neuer Mitglieder wird in einer hierzu anberaumten Versammlung Ballotage gehalten.
Die letzte Ballotage fand 1956 statt.
Der 1893 gegründete Gesangverein legte fest: Über die Aufnahme von Mitgliedern entscheidet die Gesellschaft durch Ballotage… Sie wird in der Weise ausgeführt, dass jedes Mitglied eine weiße und eine schwarze Kugel in die Hand bekommt. Weiß stimmt dafür, schwarz dagegen.
Noch vor 1933 wurde die Ballotage aufgegeben.
Die Ballotage als Objekt der Integration
Die Ballotage symbolisiert außerdem das friedliche Zusammenleben von Juden und Christen am Beispiel des Vereinswesens. Christen und Juden wurden per Ballotage aufgenommen, übernahmen Vorstandsposten und wirkten als aktive oder passive Mitglieder gleichberechtigt mit.
Die Stiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte ist eine bundesunmittelbare Stiftung des öffentlichen Rechts mit Sitz in Frankfurt am Main und fördert die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit der deutschen Demokratiegeschichte vom ausgehenden 18. Jahrhundert bis in die Gegenwart. Im Jahre 2024 wurde die Wiesenbronner Ballotage als Ort der Demokratie offiziell anerkannt.