Kirchenburgen im Landkreis Kitzingen

Allgemeines
Das Gebiet zwischen Main und Steigerwald zeichnet sich durch ein gehäuftes Vorkommen von Kirchenburgen aus. In fast allen größeren Dörfern haben sich Reste von befestigten Kirchhöfen erhalten oder lassen sich solche zumindest archivalisch nachweisen. Die Bezeichnung Kirchenburg ist übrigens erst eine Erfindung des 19. Jahrhunderts. Freilich gleicht keine Kirchenburg der anderen. Viele individuelle Momente bestimmten die Anlage, das Aussehen und die Entwicklung bis heute. Dennoch kann eine grobe Entwicklungslinie skizziert werden.

Die ersten und die meisten Kirchenburgen im Kitzinger Land entstanden wohl um die Wende vom 13. zum 14. Jahrhundert, wie jüngste Forschungsergebnisse in Kleinlangheim, Willanzheim und Hüttenheim ergaben. Kirche und Friedhof wurden mit einer massiven Ringmauer umgeben, an die man gleichzeitig einräumige Vorratshäuser, sogenannte Gaden, anbaute. Ob diese seinerzeit schon regelrecht unterkellert waren, ist nicht bekannt, aber sehr wahrscheinlich.
Eine weitere intensive Bautätigkeit an den Kirchenburgen zeigt die zweite Hälfte des 15. Jahrhunderts. Die schrecklichen Ängste und Erfahrungen vor und während des sog. 1. Markgräfler Krieges veranlassten zahlreiche bauliche Erneuerungen und Verbesserungen. Spätestens um diese Zeit kamen die gewölbten Keller auf, die teilweise nachträglich unter Fachwerkgaden eingebaut wurden. Gleichzeitig entstanden zwei- und dreigeschossige Gaden, die in der typischen Art des spätmittelalterlichen Fachwerkbaus gezimmert waren. Vor allem das 18. und das 19. Jahrhundert veränderten das Erscheinungsbild vieler Kirchhöfe maßgeblich. Umfassungsmauern wurden teilweise abgetragen und die Gaden kürzte man nicht selten um ein oder sogar zwei Geschosse um mehr Licht in das Kirchengebäude zu bringen.

Die klassische Anlage einer befestigten Kirchhofs mit Vorratshäusern (Gaden) zeigt die Kirchenburg in Mönchsondheim

Kennzeichen, Merkmale
Die Grundrisse der Kirchenburgen im Landkreis Kitzingen zeigen zwei grundsätzliche Strukturen, nämlich mit und ohne Gaden. Befestigte Kirchhöfe Gaden zeichnen sich durch eine Ringmauer aus, die mit Türmen (Segnitz, Mainstockheim, Albertshofen) verstärkt sein kann und die Kirche mit dem Friedhof umschließt. Inwieweit die Mauern mit Wehrgängen bestückt waren, ist nur in Einzelfällen nachweisbar. In Segnitz deuten Kragsteine und eine Turmöffnung in 4 Meter Höhe darauf hin, während in Mainstockheim ein Wehrgang archivalisch belegt ist. Regelrechte Schießscharten sind kaum nachgewiesen. Die erhaltenen in Wiesenbronn, Hüttenheim und in Willanzheim sind wohl als Armbrust-Schießscharten zu deuten, während die in Stadelschwarzach, in Mainstockheim und in Segnitz als fortschrittlich und für Pulverwaffen geeignet eingestuft werden können. Den Zugang zum Innenhof, gleich ob bei einer Kirchenburg mit oder ohne Gaden, erlaubt allein ein Torhaus, das in fast allen Fällen nachgewiesen ist. Oftmals nahm das Torhaus in den oberen Geschossen die Schule mit Wohnung des Lehrers auf, der gleichzeitig als Torwächter fungierte und für die Sicherheit des Kirchhofs Verantwortung trug. So heißt es in den Dienstverträgen regelmäßig Man befiehlt ihm auch den Kirchhoff.

Das historische Fotos zeigt eine Gade mit Kellerhals in der Kirchenburg Kleinlangheim.

Die Nutzung als Speicher für die Landwirtschaft und für den Weinbau
Gaden und Keller wurden als Lagerraum für Getreide, Wein und weitere Feldfrüchte genutzt. Soweit nachvollziehbar, beschränkte sich die Gruppe der Gaden- und Kellerbesitzer auf die vermögende Oberschicht eines Dorfes. Gerade die tiefen Keller mit gleichbleibender Temperatur und hoher Luftfeuchtigkeit boten die besten Voraussetzungen für die Einlagerung von Wein, Obst, Kraut und weiteren Gartenfrüchten. Die Gaden dienten im Obergeschoß als Schüttboden für das ausgedroschene Getreide. Auch für diesen Zweck waren die Voraussetzungen ideal, und besonders die Forderung nach gut verschlossenen, trockenen und luftigen Schüttböden war bestens erfüllt. Die Bedeutung der Erdgeschosse in den Gaden ist hingegen nicht so klar ersichtlich. In manchen Fällen stand hier eine Kelter und im Herbst floß der ausgepreßte Süßmost durch einen Schlauch direkt in den darunterliegenden Keller. Die Strukturveränderungen in der Landwirtschaft und im Weinbau seit dem 2. Weltkrieg machten die Gaden und Keller langsam aber sicher vollkommen überflüssig. Der Bauunterhalt beschränkte sich auf das Allernotwendigste und ein langsamer, aber sicherer Verfall setzte ein.

In den tiefen Kellern der Kirchenburgen lagerte der Wein

Die militärische Bedeutung
Die Nutzung der Kirchhöfe als Rückzugsort für die Bevölkerung in Zeiten der Gefahr ist bereits für das frühe 14. Jahrhundert in Unterfranken mehrfach belegt. Im Landkreis Kitzingen kann bisher als ältester Nachweis für eine militärische Nutzung das Öffnungsrecht in Kleinlangheim für den Markgrafen von Ansbach aus dem Jahre 1416 genannt werden. Öffnungsrecht bedeutet, dass der jeweils Berechtigte in Zeiten kriegerischer Auseinandersetzungen den Kirchhof als Truppenstützpunkt nutzen darf. Weitere Öffnungsrechte konnte sich der Markgraf im 15. Jahrhundert für die Kirchhöfe in Gnodstadt, Sickershausen, Marktsteft, Obernbreit und Martinsheim sichern. Gleiche Ansprüche machten das Würzburger Domkapitel in Tiefenstockheim und die Herren von Seinsheim in Nenzenheim geltend. In den langwierigen Kämpfen des 1. Markgräfler Krieges 1461-63 nahmen die Kirchhöfe nach den Berichten des Würzburger Geschichtsschreibers Fries eine durchaus strategische Rolle ein. Nicht wenige Kirchenburgen verdanken diesem Krieg ihre erste Erwähnung. Der Chronist von Kleinlangheim berichtet z. B., dass der Kirchhof von Bischof Johann geplündert wurde, der viel Fahrniß, weins und getraids, so die bauern drein geflöhnet hatten hinwegführte..
Im schrecklichen, dreißig Jahre währenden Religionskrieg zeigte sich die inzwischen eingetretene militärische Bedeutungslosigkeit der befestigten Kirchhöfe. Aufwändige bauliche Instandsetzungen und Erneuerungen, die der neuen Kriegstechnik mit Pulverwaffen und Söldnerheeren entsprochen hätten, waren undenkbar. Die alten Gemäuer konnten marodierende Haufen mit Kanonen und Gewehren nicht mehr abschrecken und so versuchte die Bevölkerung ihr Hab und Gut durch Flucht in die Wälder oder in stark befestigte Städte zu retten.

Eine der größten und ältesten Kirchenburgen steht in Kleinlangheim. Die Anfänge reichen bis in die Zeit um 1250 zurück.

Man wird befestigte Kirchhöfe ab dem Hoch- bzw. Spätmittelalter in jeder größeren Ortschaft annehmen dürfen. Kleinere Dörfer werden wohl kaum die wirtschaftlichen und finanziellen Voraussetzungen für solche Bauwerke erfüllt haben, wobei Ausnahmen sicherlich die Regel bestätigen. Besonders auffällig zeigt sich die Verteilung von Kirchhöfen mit und ohne Gaden. In den Dörfern am westlichen, steilen Abfall des Maintales sind grundsätzlich nur Kirchenburgen ohne Gaden und Keller nachweisbar (Segnitz, Sulzfeld, Mainstockheim, Albertshofen), wie dies auch für den Steigerwald (Ebersbrunn, Füttersee) zutrifft. Die Region zwischen Main und Steigerwald ist hingegen gekennzeichnet vom Vorkommen von Kirchgaden und Kirchkellern. Freilich zeigen sich diese Anlagen verschieden stark ausgeprägt. Es kommen sowohl eindrucksvolle Beringe mit zahlreichen Kellern und Gaden vor (Kleinlangheim, Hüttenheim), aber auch relativ bescheidene Kirchhöfe mit einer nur geringen Anzahl solcher Gebäude (Wiesenbronn, Krautheim). Für nicht wenige befestigte Kirchhöfe kann bisher das Vorhandensein von Gaden und Kellern weder bestätigt noch ausgeschlossen werden. Allerdings gibt die oben aufgezeigte regionale Verteilung zwischen Main und Steigerwald deutliche Hinweis auf das mögliche Erscheinungsbild. Warum in den Winzerdörfern am Main und in den Steigerwalddörfern keine Gaden anzutreffen sind erscheint aufgrund der vorherrschenden Agrarstruktur nachvollziehbar. In vielen Dörfern am Main nahm der Feldbau eine nur sehr untergeordnete Stellung ein, es dominierte der Weinbau. So gab es keine Notwendigkeit für gesonderte Speichergebäude und den Wein lagerte man in die Keller der Winzerhäuser. Im Steigerwald, überwiegend eine hochmittelalterliche Rodungslandschaft, ist von geringeren landwirtschaftlichen Erträgen und fehlenden Weinbau auszugehen, Bedingungen also, die weder Gaden noch Keller erforderten. Eine Verbreitungskarte des Weinbaus im 15. Jahrhundert weist für die Ortschaften des Steigerwaldvorlandes hingegen regelmäßig den Anbau dieser Sonderkultur nach und die relativ fruchtbaren Keuperböden gestalten den Feldbau rentabel. Eine solche Struktur benötigte sowohl Lagerkapazitäten für das Getreide, als auch für den Wein. Beste Voraussetzungen also für die Entstehung von Kirchgaden und Kirchkellern als Vorratsgebäude.

Aus dem vor Ort gewonnenen gelb-braunen Werksandstein errichteten die Stadelschwarzacher ihre Kirchenburg. Die ältesten Gaden datieren aus dem 15. Jahrhundert.

Eine Zeichnung des 1772 eingestürzten Kirchturms von Rödelsee belegt gleichzeitig mehrere Gaden und somit eine Kirchenburg.

Mehrgeschossige Gaden in der Kirchenburg Hüttenheim konnten in das 14. Jahrhundert datiert werden.